Die Magie der Drei?
- Asja
- 8. Dez. 2023
- 3 Min. Lesezeit
Ich hatte drei Schlaganfälle in einem Jahr. Angefangen im November 2022, gefolgt von einem erneuten Vorfall im April und zuletzt im Juli 2023. Fakt ist derzeit: niemand hat bisher eine körperliche Ursache gefunden, aber immer wenn ich ein bestimmtes Medikament absetzte, bekam ich bis dato irgendwo zwischen 2 Monaten und 2 Wochen eine erneute Ischäme.
Nach dem ersten Schlaganfall dachte ich noch: okay, das war jetzt ein Warnschuss, ein einmaliges Erlebnis. Warum sollte es mir anders gehen als vielen meiner REHA-Kollegen, die teilweise viel schlimmere Folgen hatten als ich? Ich hörte ich auf zu rauchen, nahm brav die mir verordneten Tabletten, machte mir ein Abo im Fitnessstudio, ging viel spazieren und besuchte die Physio- und Ergotherapie. Das Laufen blieb anstrengend, aber die Funktion meiner rechten Hand war sehr schnell brauchbar wieder hergestellt. Nach 3 Monaten ging ich zu Kontrolle und die Neurologin zeigte sich begeistert über meinen Zustand. "Weiter so, Frau Arendmeier! Das sieht alles super aus." Wir setzten den 2. Blutverdünner ab und ich schaute im Februar 2023 motiviert und positiv in die Zukunft.
Ostersonntag 2023 stand ich Morgens auf und stellt sofort fest, dass ich schlechter laufen konnte. Mich erfasste Panik. Eine Stunde später saß im nächsten Krankenhaus bei einer sehr netten jungen Assistenzärztin, die keinen Schlaganfall diagnostizierte, weil sie es mangels Entscheidungskompetenz schlichtweg nicht konnte. Ich tippte auf eine Panikattacke mit anschließender Blutdruckentgleisung und sie nickte es nur zu gerne ab, um uns beide zu beruhigen. Ich fuhr also nach Hause zu meinem Osterbesuch. Eine Woche später, in einem anderen Krankenhaus, war gewiss: ich hatte an diesem Tag den zweiten ischämischen Insult gehabt. Also wurde der Blutverdünner wieder angesetzt, ...
...um im Juli 2023 nach eingehender Kontrolle in der Neurologie (das Prozedere inkl. Begeisterung und feuchtem Händedruck war bekannt) wieder abgesetzt zu werden. Zwei Wochen darauf war ich dann schon schlauer, als mir Missempfindungen in der rechten Lippenhälfte auffielen. Sofort verständigte ich einen Notarzt, der mich, nachdem er sich im dunklen Pfälzer Wald verfahren hatte, ins Krankenhaus einlieferte. Ich bestand auf eines mit Stroke Unit.
Noch in der Nacht wurde ich auf eine Normalstation verlegt und sollte am nächsten Tag nach einem MRT entlassen werden. Gegen 10 Uhr am Vormittags brachte ich plötzlich nur noch seltsam formulierte Sätze heraus. Ab da ging alles sehr schnell: rein ins MRT, rauf auf die Intensivstation und ran an die Thrombolyse (Heparin intravenös zur Auflösung des Blutgerinnsels). Das Erleichternde für mich war: nach ca. 2 Stunden war mein Sprachvermögen fast uneingeschränt wiederhergestellt. Ich dankte Gott - sehr ernsthaft und dankbar, jedoch nicht auf Knien, denn da durfte ich ja aufgrund der Blutungsgefahr nach der Lyse und strengster Bettruhe für drei Tage nicht hin.
Das war der dritte Streich. Drei Mal machte ich alles brav mit, scherzte mit den Schwestern, verbreitete Positivität unter den Ärzten, war liebenswert mit meinen Zimmernachbarinnen und antwortete auf die Frage, wie es mir gehe, immer mit einem tapferen Lächeln: "Gut."
Nein, es ging mir nicht gut. Innerlich haderte, brüllte und schrie ich. Äußerlich biss ich oft um mich wie ein weidwundes Tier. Ich stelle alles und jeden in Frage, versuchte den Weg durch das Labyrinth zu finden und verlief mich regelmäßig. Ich litt an Depressionen, die mich in schwärzeste Untiefen meines Selbst stürzten und kaltlächelnd meinen Antrieb killten, aber gleichermaßen an blindem Aktionismus (ich muss doch was tun können), womit ich mich regelmäßig überforderte. Ich hatte Zorn, weinte und lachte irre. Vor allem weinte ich aber. Ich weinte um den Verlust meines Selbstbildes, meiner Gesundheit, meiner Fähigkeiten. Und ich hatte Angst. Angst vor dem Siechtum. Angst vor dem Verlust meines Sprechvermögens. Ich litt an Panikattacken, weil ich ständig meinen Körper beobachtete und war ein Last für mein ganzes Umfeld.
Das klingt als sei das alles vorbei, aber das kann ich nicht garantieren. Im Moment geht es mir so gut, dass ich zumindest darüber schreiben kann und es sich anfühlt, als wäre es vorbei. Aber ich bin bescheiden geworden im letzten Jahr. Bescheiden mit zu viel Hoffnung und positivem Denken. Vielleicht nennt man das Realismus.
Da ich ein spiritueller Menschen bin, war mir schnell klar, dass in diesem ganzen Mist eine unfassbar große Möglichkeit liegt, zu lernen. Nur was, erschloss sich mir nicht gleich. Im Grunde bin ich mir heute noch nicht sicher, aber ich glaube, ich kreise die Möglichkeiten langsam ein. Schauen wir mal.
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