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Über das Kismet

  • Autorenbild: Asja
    Asja
  • 18. Dez. 2023
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 19. Dez. 2023

Als die Kriegerin am frühen Morgen ihr heimlich gebautes Boot besteigen will, um zu den Ufern des neuen Landes aufzubrechen, trübt aufgeregtes Gerede, das sich dem Strand nähert, ihr Ablegen. Einige ihrer alten Gefährten, die ihren Weggang in der Nacht bemerkten, sind ihr gefolgt, um eine Antwort einzufordern, warum sie sie verlässt.


Die Kriegerin kann sich den Schmerz, die Verwirrung und das Unverständnis ihrer alten Verbündeten aufgrund ihres stummen Abschieds gut vorstellen. Aber wie sollen sie auch das Ergebnis eines Geschehens verstehen, das sie selbst nicht durchlaufen haben?


Nicht für sich, sondern einzig um des Friedens der Gefährten Willen, beschließt sie ein letztes Mal Worte an ihre ehemaligen Vertrauten zu richten. Sie denkt lange nach, wählt ihre Worte mit Bedacht und hebt dann an, zu sprechen: „Ich gehe um meinetwillen, nicht euretwegen. Ihr seid, wer ihr seid und ich war lange ein Teil von euch, aber jetzt will jemand anderes sein. Ich sehne mich nach meinem wahren Ich und das kann ich nur finden, wenn ich die Rolle, die ich viele Jahre spielte, ablege.“


Wie befürchtet, missdeuten einige der alten Weggefährten ihre Worte und so wird der ein oder andere laut oder ausfallend, während wieder andere nur stumm daneben stehen. So tituliert mancher Gefährte sie als feige, weil sie ohne Erklärung geht will, aber die Kriegerin weiß es besser. Mögen sie andere auch für feige halten, sie hat verstanden, dass sie niemandem Rechenschaft schuldig ist, außer sich selbst und dass es ihr gutes Recht ist, zu entscheiden, wem sie eine Antwort gibt und wem nicht.


Trotz dieser Erkenntnis schmerzt sie das Toben und die Beschimpfungen einiger ihrer langjährigen Weggefährten und egal, wie sicher sie sich ist, diesen neuen Weg zu beschreiten, befallen sie hinterrücks die Dämonen des Zweifels. Sie kennt diese alten Geister, die sie schon seit Jahrzehnten begleiten, nur zu gut, aber die Heftigkeit ihres Angriffs erschrecken sie doch. Ihr Herz beginnt zu rasen, die Brust schmerzt und sie meint ihren Herzschlag bis in den Hals zu spüren.


Dennoch besteigt sie ihr Boot, um dessen Bug die Wellen des großen Meeres plätschern und es sanft schaukeln lassen, so dass sein sachtes Hin- und Herwiegen sie freundlich zu begrüßen scheint. Langsam beginnt sie das Segel zu hissen, als ihr Blick auf einen Mann fällt, der sich aus der Gruppe löst und einige Schritt auf das Boot zu kommt. Liebevoll schaut er sie an und sagt: „Zweifle nicht an dir. Ich weiß, du hast ein gutes Herz.“ Kaum merklich nickt er ihr zu und sie hört seine tiefe, brummelige Stimme in ihrem Kopf: „Ich warte auf dich, wo auch immer du bist.“ Dann dreht er sich um und geht weg. Die Worte des alten Freundes ergießen sich wie Balsam über der wunde Seele der Kriegerin und nehmen ihr sofort den Schmerz.


Und so fährt die Kriegerin fort, die Segel ihres Bootes zu hissen, bis der Wind wie ein guter Freund hineingreift und sie mit einem kräftigen Schubs aufs offene Meer hinauszuschieben scheint. Noch einen kurzen Moment ruht ihr Blick auf ihre alten Begleiter am Strand, dann dreht sie sich um und in ihr hallen die Worte der alten Frau wider: „Es ist Zeit in eine andere Richtung zu schauen.“


Während das Boot Fahrt aufnimmt und der Bug die Wogen des Meeres spielend leicht zu teilen scheint, geht der Kriegerin eine alte Erkenntnis durch den Kopf: Die Seelen, die unseren Lebensweg kreuzen, sind so viele wie es Sterne am Nachthimmel gibt. Die meisten funkeln nur einmal auf, manche leuchten eher unscheinbar, einige schimmern heller und wieder andere strahlen so hell wie ein Licht in dunkelster Nacht. Die meisten der Sterne verglühen irgendwann - die einen schneller, die anderen langsamer. Und die wenigsten Sterne begleiten dich ein Leben lang. Daher sind diese die ganz besondere Geschenke, für die man außerordentlich dankbar sein darf.


Und manchmal, fügt sie der alten Erkenntnis eine neue hinzu, hast du das große Glück, einen Stern an deinem Nachthimmel zu finden, der dich in einem Moment, in dem du dich selbst zu vergessen drohst, an dich erinnert.

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