Über die Spaltung
- Asja
- 21. Apr. 2022
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 26. Nov. 2023
In den Zeiten des heftigsten Kampfes, während die Gegner sich mit lautem Gebrüll den Schädel einschlagen, verharrt die Kriegerin ganz plötzlich inmitten der Schlacht. Sie beobachtet das Kriegstreiben, senkt ihr Schwert und wischt sich das Blut ihrer Gegner vom Gesicht. Während sich die beiden Kriegsparteien niedermetzeln, breiten sich die Worte des alten weisen Mannes in ihrem Inneren aus, der sagt: „Ein wahrer Krieger des Lichts wählt sein Schlachtfeld stets selbst.“
In diesem Moment weiß sie, dass sie, so wie die anderen auch, ihren eigenen Dämonen erlegen ist, als sie sich auf diesen Kampf eingelassen hat. Sie entsinnt sich nicht mehr, wann das genau geschehen ist, aber es lag in einer Zeit weit vor dem Ruf zu dieser Schlacht.
Für einen kurzen Moment zieht der Dämon des Selbstzweifels wie ein nörgelndes Kind am Rock der Mutter an ihrem Mantel, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Leise singend säuselt er ihr seine Beschwörungen ins Ohr, während er warm ihre Schultern umspielt und alles daran setzt, dass sie in sein Lied einstimmt. Schwindel breitet sich in ihrem Kopf aus, wie so oft in letzter Zeit und sie hat das Gefühl, ihr ganzer Körper steht unter großer Anspannung. Ihr Blick verändert sich und nichts, was sie umgibt, hat irgendetwas mit ihr zu tun. Sie fühlt sich wie ein Fremde in einer unbekannten Welt.
Währenddessen streift ihr Blick über das Schlachtfeld und sie sieht all die vom Hass und Kampf verzerrten Gesichter. Jeder kämpft für seine Seite und gleichermaßen weiß die Kriegerin, dass sie alle aus dem gleichen Grund kämpfen. „Sie schlachten sich gegenseitig aus Angst ab“, murmelt sie, „und so wird das, was sie trennt, doch wieder eins.“
Aber statt dies zu erkennen, stieren sie alle wie blind auf die Flaggen ihrer Anführer, die im Nebel und der aufsteigenden Nacht nur noch schwach zu erkennen sind. Sie sieht die Gesichter der Schlachtherren und ihre Gefolges, die diesen Krieg angezettelt haben ohne dies wirklich zu wollen. Manchmal, so weiß sie, handelt man blindlings, weil nicht zu handeln die eigene Position mehr gefährdet, als zu handeln.
Die Stimme aus der alten Zeit tönt plötzlich in ihrem Kopf und zerstört den Dämon des Selbstzweifels sofort zu einem kleinen Häufchen Asche, das vor ihre Füße fällt. Die Stimme, die ihrer sehr gleich ist, sagt zu ihr, was sie schon so oft zu anderen sagte: „Es gibt eine Zeit des Kampfes und es gibt eine Zeit des Ruhens.“
Noch im selben Moment lässt sie ihr Schild und das Schwert auf den blutgetränkten Boden fallen und geht müden Schrittes vom Schlachtfeld. Später am Feuer werden ihre Gefährten ihre Wunden kühlen und sie trösten. So wie sie es schon immer taten.
Ihr wird gewahr, dass die Menschen VaterMutter schon vor langer Zeit getötet haben und sie diesem Irrglauben ebenfalls anheimgefallen ist. VaterMutter kann man töten, aber nie wird es einem deswegen wirklich zürnen. In diesem Moment weiß sie, dass sie VaterMutter suchen muss und dass es sie bei ihrer Heimkehr ohne böse Worte oder Gedanken in die warmen Arme schließen wird, so als sei sie niemals weg gewesen.
Plötzlich hat sie wieder eine Ahnung, wofür sie steht, für was sie kämpft und dass niemandem geholfen ist, wenn sie ihr Leben für einen aussichtslosen Kampf gibt, der ganz ohne Grund geführt wird.
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